Rudern

Wer heute in die Nachrichten schaut, findet auf jeden Fall Nachrichten zu Sport. Doch scheint die Welt nur Fußball zu kennen, ausserhalb von Olympia schafft es gerade mal die Tour de France oder Wimbledon auf die Nachrichtenseiten. Ganz klassische Sportarten, wie Turnen, Ringen, Weitsprung, Hürdenlauf, Hockey oder Rudern gibt es nicht – nur Fußball. Nicht alle Jugendlichen, die Sport machen, spielen Fußball. Die anderen scheinen ins Fitnessstudio zu gehen. Das ist sicherlich übertrieben. Der Leistungssport leidet allerdings erheblich unter der Allgegenwart von Fußball. Im Breitensport gibt es immer noch eine große Vielfalt, jedoch mit abnehmender Tendenz bei klassischen Sportarten, während Neues im Trend liegt.

Rudern ist sicher keine Trendsportart wie Intensive-Cross-Running, Functional-Urban-Yoga oder CrossFit. Vielmehr wird Rudern gerne zu den bedrohten Sportarten gezählt (siehe: Spiegelartikel über bedrohte Sportarten). Doch ist das wirklich so? Wie sieht dann die Zukunft des RVPG aus? Müssen wir bald eine Stand-up-Paddling-Riege gründen um doch zu überleben?

Rudern war einst eine der großen Trendsportarten vor über 100 Jahren. Starke Kerle in schnittigen Booten, dazu der englische Schick, tollen Regatten und gesellschaftliche Ereignisse mit Stolz und Pathos. Der Trend hielt sich lange, gerade nach 1945 kam es wieder zu vielen Vereinsgründungen, erfolgreichen Mannschaften und glorreichen Deutschlandachtern. Die Mitgliedschaft in einem Ruderclub kostete schon was, schließlich handelt es sich auch um eine „weiße“ Sportart. Man feierte ausgiebig Partys in den Bootshäusern an Rhein, Themse und Hudson River. Mit Stolz füllten sich die Glasvitrinen bei den Vereinen an Weser, Ruhr und Wannsee mit Pokalen und Siegerorden. Doch langsam verbleichen die Fotos in den Rahmen.

Heute sieht das Bild vielerorts oft anders aus. Nachwuchssorgen quälen viele einst stolze Clubs, der Altersdurchschnitt liegt jenseits der 50 und trotz guten Bootspark und schicken Bootshaus sinken die Mitgliedszahlen und der Ruderbetrieb stockt. Dabei sprechen unzählige Argumente für den Rudersport. Rudern hält extrem fit, alle Muskeln werden gefordert und kann in allen Altersklassen betrieben werden. Leistungssport bis Freizeitvergnügen, der Rudersport spricht verschiedenste Zielgruppen an. Doch die Realität sieht anders aus. Vielerorts ruht die Jugendarbeit, Rudern scheint für die neuen Generationen die Anziehungskraft verloren zu haben.

Oft steckt aber hinter der Entwicklung auch mangelnde Weitsicht der etablierten Ruderclubs. Jugendarbeit bedeutet auch Anstrengung, die Jugend macht Krach und Chaos, ist unkontrollierbar und stört im Zweifel den Ruderbetrieb der „alten Herren“. Dabei wäre es lebensnotwendig, dass die Vereine sich um Nachwuchs kümmern!

Gerade in Bonn bekommen wir genau dieses Phänomen vor Augen geführt. Hier kämpfen die beiden heimatlosen Bonner Schülerrudervereine GRC und SRC (Rudervereine des Ernst-Moritz-Arndt- Gymnasiums und Friedrich-Ebert-Gymnasiums) inzwischen um Ihre Existenz , da sie von keinem der etablierten Bonner Rudervereine aufgenommen werden. Dabei sind es genau jene Rudervereine die gerne ruderbegeisterte und ausgebildete erwachsene Ruderer in Ihren Reihen aufnehmen. Eventuell wird in Zukunft auch diese Quelle versiegen, da die im freien gelagerten Boote bald keine Anfänger mehr ausbilden können. Weder die Stadt noch die Vereine handeln tatkräftig und das obwohl sich die Schüler aus den beiden Vereinen engagieren und genau das auf die Beine stellen, was moderne Bildungspolitik sich vorstellt. Es ist ein trauriges Experiment, bei dem wir als RVPG zuschauen dürfen und uns die Frage stellen, wie lange wohl ein Schülerruderverein ohne Bootshalle und Umkleiden im RVPG-Garten überleben kann!

Für Schülerrudervereine ist das Leben seit der Abschaffung der 13. Klasse insgesamt schwerer geworden. Auch wenn wir am Päda durch den Schul-Samstag nur wenig Unterrichtsstunden im Nachmittagsbereich haben, ist die wöchentliche Zeit für ausgiebigen Sport am Nachmittag gesunken. Zusätzlich haben durch G8 (Abi bereits in der 12. Klasse) die Schülerruderer ein ganzes Schuljahr weniger Zeit um als Schüler zu rudern, dadurch fehlen ein Jahr Erfahrung und damit Ausbilder und Steuerleute. Dieses Jahr fehlen uns schon die jetzigen Abiturienten.

Was bedeutet mein düsterer Ausblick für den RVPG? Schon immer gab es ein „Auf“ und „Ab“. Immer wieder hat es auch ohne Weltkriege Vereinskrisen gegeben, die die Existenz in Frage stellten. Davon sind wir heute weit entfernt. Unser Bootspark ist im guten Zustand, regelmäßige Renovierungen und Reparaturen sorgen für genügend Bootsplätze, wir haben eins der schönsten Bootshäuser am Rhein und regelmäßig findet der Ruderbetrieb statt. Unsere Mitgliederzahl ist stabil und für einen Schülerruderverein sehr gut, Rudern wird in der Schule als Schulsport angeboten, wir haben aktive Ehemalige und unsere Kilometerleistungen lassen sich sehen (auch wenn 2016 ein schwaches Jahr war).

Von Krise ist demnach nur wenig zu spüren, dennoch gibt es einige Punkte, die sich für die Zukunft negativ auswirken können und weshalb es wichtig ist, sich damit zu beschäftigen. Das Interesse an unserem Startercamp zu Pfingsten ist groß. Ja, sogar so groß, dass schonmal nicht alle mitkommen konnten. Doch am Ende des Jahres bleiben wenige übrig. Im Laufe der Zeit schwinden viele aktive Schüler, zu anstrengend der Alltag, zu mühselig das Booteschleppen und schlicht andere Interessen mit 16.

Dabei bietet der RVPG doch ideale Rahmenbedingungen. In einer stets betreuten, von Eltern und Lehrern umkreisten und von zielstrebigen Berufszielen bestimmten Welt ist der RVPG doch ein idealer Rückzugsraum. Der Schüler hat sein Haus, seine Boote und das in seiner Verantwortung. Sport und draussen sein, unter sich sein und einfach mal los rudern, sich treiben lassen, mal grillen oder ein paar Tage auf Wanderfahrt sein. Wir Ehemaligen haben als Schüler diese Chance genießen können, wir wollen das weitergeben und diesen Geist am Leben erhalten.

Für die Zukunft im RVPG müssen wir jedes Jahr aufs Neue anpacken, in dem Wissen, dass es nicht nur um das Rudern als Sport geht.

dazu:

Ran an die Riemen! (Spiegel)

Rettet bedrohte Sportarten (Spiegel)

Ringen um Fassung (Spiegel)

 

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