Tief im Westen, wo die Sonne verstaubt…
RVPG-Herbstwanderfahrt 2015
„Auf zu neuen Ufern“ war mein Motto bei dieser Wanderfahrt. Nichts gegen Rhein, Main, Neckar oder unseren all time favourite, die Lahn, aber von Zeit zu Zeit gilt es den Ruderhorizont zu erweitern. Daher sollte es diesmal die Ruhr werden. Da die Ruhr aber mit ihren knapp 100 mit dem Ruderboot befahrbaren Kilometern sehr kurz ist, entschied ich mich zusätzlich ein weiteres Mal für ganz neue Ufer an der Ems.
Mit einer Gruppe von 13 Ruderern starteten wir also am 11. Oktober nach Herdecke an der Ruhr. Dort angekommen riggerte die Mehrheit die Boote auf, während Seppel und ich eines unserer zwei Autos an das Tagesziel nach Witten brachten. Seppel rettete im Anschluss noch die – natürlich – im R.V.P.G.-Kühlschrank vergessenen Lebensmittel, während Jakob ihn als Obmann im dritten Boot auf den 13 km Strecke nach Witten ersetzen sollte. Strahlender Sonnenschein begleitete uns zunächst über den Harkortsee bis zum Wehr nach Wetter, wo umgetragen werden musste. Der Weg war zwar idyllisch entlang einer gewundenen Fischtreppe über eine Wiese gebaut, aber mit ca. 300m doch eher lang. Mit vereinten Kräften und einer Packung Haribo gestärkt, trugen wir dennoch ein Boot nach dem anderen zur Einsatzstelle. Hinter dem Wehr waren uns schon von einigen Ruderern in Herdecke Stromschnellen angekündigt worden. Während in den ersten beiden problemlos das Strömungsdreieck und damit eine Lücke zu erkennen war, breitete sich die dritte auf gesamter Flussbreite aus. Langsam tastete ich mich mit meinem Boot zuerst auf der linken Stromseite heran, aber schnell fand der Bug einen Stein und stecke fest und ich hatte keine Wahl als in das frische Ruhrwasser zu steigen. Zum Glück war der Rest der Mannschaft leichter, sodass das Boot erst um- und dann mit dem Heck zuerst durch den Rest der Schnelle treiben konnte. Michi im zweiten Boot entschied sich daraufhin zwar von Beginn an heckwärts zu treiben, endete aber ebenfalls mit Gewichtsproblem auf einem Stein und musste wie ich zuvor die Wassertemperatur der Ruhr testen. Immerhin hatten wir den Weg jetzt so gut erkundet, dass Jakob im letzten Boot ohne große Probleme und mit trockenen Füßen die Stelle passieren konnte.
Genug Wasser? No! Ein paar Kratzer? Yup!
Seppel erwartete uns schon bei Ankunft am RV Bochum in Witten. Zum Schluss ruderten wir noch 500m weiter zum RC Witten und legten die Boote dort auf dem Gelände ab, um uns ein weiteres Mal Umtragen am Morgen zu sparen. Nachdem alle wieder zurück am Verein waren, sprangen Seppel und ich wieder auf den Bock und brachten unseren Anhänger noch zum Endpunkt nach Mülheim, während die Gruppe erst Spagetti Bolognese aß und sich dann über die diversen Süßigkeiten der Teilnehmer hermachte. Die wegen eines technischen Fehlers kalten Duschen waren aufgrund der kurzen Ruderetappe kaum ein Problem.
Magst du’s kalt? No! Stink ich halt! Yup!
Das schöne aber kalte Wetter setzte sich am Montag fort. Die Etappe war mit 30 km zwar nicht übermäßig lang, mit zwei Umtragestellen und 4 Bootsgassen dafür aber umso spannender. Auto und Gepäck blieben in Witten und wir alle machten uns voller Elan auf die ersten 5 km nach Herbede. Dort ist seit längerem die Bootsgasse gesperrt und Umtragen nötig. Da Aus- und Einsetzen aber unmittelbar ober- und unterhalb der Gasse möglich sind, war das Hindernis schnell überwunden. Auch das lange Wehr unterhalb der Gasse sah zwar eindrucksvoll aus, verursachte aber keine Probleme. Als nächstes überquerten wir den Kemnader Stausee, an dessen Ende wir zum ersten Mal mit einer Bootsgasse konfrontiert wurden. Die Vierer wurden nur auf Platz eins und vier besetzt und schon ging es abwärts. Nach weiteren zwei Ruderkilometern folgten Wehr und Kraftwerk in Blankenstein und dort das zweite und letzte Mal Umtragen auf der Etappe. Für Wasserwanderer gab es eine schmale Aussetzstelle ca. in der Länge eines Vierers und unmittelbar vor dem Kraftwerkseinlauf. Mit scheinbar geringem Energiebedarf waren aber zum Glück auch die Strömung und damit das Einparken unproblematisch. Als alle drei Boote auf der Wiese lagen, gönnten wir uns eine Essenspause. Allerdings war es doch schon 14:00 Uhr geworden und trotz schönem Wetter wehte ein kalter Mitwind. Wir verweilten also nicht lange und trugen bald darauf unsere Boote einmal quer über das Kraftwerksgelände. Am anderen Ende stand uns leider nur eine Kiesbank zur Verfügung, die noch dazu nur leicht ins Wasser abfiel. Das Einsetzen war also nur mit nassen Füßen für die gesamte Mannschaft möglich, ging aber dementsprechend schneller.
Wassertiefe? No! Nasse Füße? Yup!
Die Strömung des Kraftwerksauslaufs schob uns ohne Schwierigkeiten durch ein paar weitere Stromschnellen und nach wiederum fünf Kilometern zum Wehr nach Hattingen. Neben dem Wehr war erst vor einigen Jahren eine neue Treidel- und daneben eine Bootsgasse gebaut worden. Vom Land aus sah diese eindrucksvoll aus, insbesondere aufgrund einer Welle im Auslauf. Wir berieten ein paar Minuten bis Seppel sich als Versuchskaninchen bereit erklärte, der Sicherheit wegen natürlich mit Schwimmhilfe. Das Motto „New is always better“ sollte sich bewahrheiten. War die Strömung in der Gasse auch stark, hielt sie das Boot aber dementsprechend mittig und schoss Seppel und Emilia wenige Minuten später grinsend ins Unterwasser. Die anderen Boote folgten. Nach der nächsten Bootsgasse in Bochum-Dahlhausen stieg Michi am nahegelegenen Bahnhof in den Zug um, um das Auto aus Witten zu holen und Jakob übernahm das Boot für den Rest der Strecke. Die letzte Gasse in Essen-Steele-Horst war letztlich die steilste der Tour und entsprechend schnell. Außer einem Kratzer in der Gassenwand durch einen Ausleger, aber auch hier keine Schäden, dafür viel mehr Spaß! Praktisch mit dem Sonnenuntergang liefen wir beim Steeler Ruderverein ein und bezogen unser Quartier. Die heißen Duschen waren diesmal gerne gesehen und mit unserem Gaskocher wurden auf der anliegenden Terasse Kartoffelpürree, Erbsen und Möhren und Würstchen gezaubert. Gegen Mitternacht ging dann auch bei den letzten das Licht aus.
Die Tagesetappe am Dienstag versprach bei gleicher Kilometerzahl aber weniger Gassen auch weniger anstrengend zu werden. Gegen 10 Uhr war wieder alles im Auto verstaut und alle Boote starteten gen Mülheim. In Essen-Steele-Spillenburg durchquerten wir nach nur zwei Kilometern die letzte Bootsgasse der Tour. Das Wetter blieb zwar trocken, allerdings weiter windig und bedeckt, sprich ungemütlich. So fuhren wir nach ca. 6 Kilometern in den Baldeneysee ein, der sich für weitere 6 km vor uns erstrecke. Die frischen Temperaturen und die Obleute trieben die Mannschaften vorwärts und ohne nennenswerte Pause erreichten wir die Staumauer. Die schmale Umtragestelle lag unangenehmer Weise voll im Wind. Die Schleusenleitzentrale ignorierte uns erst am Telefon und dann ebenso konsequent vor Ort. Es blieb also nichts als durch den dafür vorgesehenen Tunnel die Boote durch die Staumauer ins Unterwasser umzutragen. Das Land war von hier aus nicht erreichbar, sodass einige Bedürfnisse kreativ erledigt werden mussten.
Gibt es Büsche? No! Hilft die Pritsche? Yup!
Insbesondere der beißende Wind trieb weiterhin alle an und wieder im Boot gestaltete sich die Lage tatsächlich sehr viel angenehmer, sodass wir eine Pause für ein Brot einlegten. Im Anschluss ruderten wir zu unserem letzten Hindernis, dem Wehr in Kettwig. Leider wurde auch hier unsere Hoffnung auf eine Schleusung enttäuscht. Also: Ein weiteres und letztes Mal Umtragen. Lukas, der seit Baldeney gesteuert hatte, hatte wohl gleichzeitig die Kombination aus Wind, Temperaturen und seinen nassen Schuhen unterschätzt und wurde daher etwas von der Kälte übermannt. Nach warmen Socken und einem Tee schloss er sich daher lieber Michi auf der Zugfahrt zum Auto an, während die anderen das letzte Stück nach Mülheim in Angriff nahmen. Emilia erhielt so die Gelegenheit das Fußsteuer auszuprobieren. In Mülheim angelangt nahmen wir die Boote aus dem Wasser und verluden alles mit vereinten Kräften wieder auf den bereitstehenden Anhänger. Auch Michi und der zum Glück wieder aufgewärmte Lukas stießen dazu. Wind und fallende Temperaturen gestalteten dann das Kochen leider schwierig und wir rutschten mit dem Gaskocher zunehmend weiter an den Windschutz der Bootshalle heran. Dennoch dauerte es entgegen unserer Hoffnung bis 22:00 Uhr bis Reis und Geschnetzeltes neben dem schon lange vorher fertigen Salat auf dem Tisch in der Bootshalle standen. Schon kurz nach dem Essen verschwand einer nach dem anderen schnell im Trainingsraum und dort im Schlafsack.
Die Wetteränderung kündigte sich schon durch das stetige Prasseln auf dem Dach an. Auch die letzten beiden Windtage hatten schon an den Kräften gezehrt. Zunächst half es aber nichts: Alle aus den Federn, Frühstücken, Verpacken. Als das Gespann und das Auto gegen 10:00 Uhr vom Hof in Richtung Ems rollten, regnete es in Strömen. Der Verkehr verwandelte die mit einer Stunde geplante Fahrzeit in über eineinhalb Stunden, die alle aber gerne im warmen Auto hinnahmen. Bei Ankunft in Greven hatte sich das Wetter wie erwartet nicht gebessert. Die Einsatzstelle unter einer Brücke neben dem Freibad wäre tatsächlich brauchbar gewesen, versprach allerdings trotzdem einiges Gewerkel und vor allem nasse Füße. Schließlich starb auch bei den Erwachsenen die letzte Motivation und wir entschieden uns für einen Pausentag.
Magst du Flocken? No! Trock’ne Socken? Yup!
Bleibst du hocken? Yup! Nicht zu locken? No!
Freundlicher Weise nahm uns der Canu Club Emsdetten auch schon mittags auf. Dem Regen zum Trotz luden wir den Anhänger ab und riggerten alle Boote auf. Danach wurde eingekauft und der Tag im Warmen verbracht. Seppel und ich bugsierten erneut unseren Anhänger an den voraussichtlichen Endpunkt nach Lingen und das zweite Fahrzeug an den für Donnerstag geplanten nächsten Halt in Salzbergen. Ungeachtet des ruderlosen Tages freuten sich alle über Tortellini mit Sahnesoße am Abend und gesellten sich dann um den Kamin. Insgesamt eine sehr gemütliche und freundliche Beherbergung, vielen Dank dafür nach Emsdetten!
Der nächste Tag aber ließ uns keine Wahl: Pünktlich mit dem zu Wasser Lassen der Boote begann der Regen und fiel und fiel. In der Konsequenz waren Pausen Mangelware. Alle wollten nur ankommen. Die drei von Hand zu bedienenden Schleusen in Rheine dienten einzelnen als willkommene Aufwärmung. Nachdem wir erst gegen 10:30 Uhr Emsdetten verlassen hatten, erreichten wir nach 28 km und 3 Schleusen schon um 15:30 unser Ziel in Salzbergen. Fast ebenso pünktlich wie er begonnen hatte, endete auch der Regen wieder, hatte aber zuvor auch die beste Regenkleidung überwunden. Von mehreren Schichten Baumwolle oder Daunenjacken ganz zu schweigen.
Bist du krass? No! Total nass? Yup!
Zu unserem triefenden Übel gesellten sich die Nachtspeicherheizungen unserer Unterkunft. Diese hatte zwar für eine Übernachtung eine angenehme Temperatur, für die unzähligen nassen Kleidungsstücke verhieß die Ausrüstung aber nichts Gutes. Die Mannschaft dagegen war nach einer heißen Dusche und in trockenen Zivilklamotten schnell wieder guten Mutes und freute sich über Nudeln mit Pesto und Salat. Der Tag zollte aber im Anschluss schnell seinen Tribut und um 22:00 Uhr waren alle im Schlafsack verschwunden.
Schon die Temperatur beim Aufwachen bestätige die Befürchtungen. Weiterhin war es zwar im Innenraum nicht unangenehm, die Heizungen hatten jedoch während der Nacht die Arbeit vollständig eingestellt. Noch vor dem Frühstück musste daher ein Plan gefasst werden. Die bevorstehende letzte Etappe nach Lingen würde sich ähnlich gestalten wie die vorherige. Allerdings hatten einige keine trockene Kleidung mehr zur Verfügung und würden von Beginn an in nassen Sachen und insbesondere Schuhen starten. Auch wenn sich unser Ausflug an die Ems damit als frustrierend kurz herausstellte, stand die Entscheidung für die vernünftige Lösung schnell fest. Wir würden die Wanderfahrt hier einen Tag und eine Etappe zu früh abbrechen und die Heimreise antreten. Während die Mannschaft frühstückte, machten sich Seppel und ich ein weiteres Mal auf, unseren Anhänger und das zweite Fahrzeug wieder in Lingen abzuholen. Nach unserer Rückkehr wurde mit verständlich etwas weniger Elan alles verladen und verpackt.
Die Rückfahrt an einem Freitagnachmittag mit Ferienende durch das Ruhrgebiet gestaltete sich im Verhältnis unproblematisch. So trafen wir gegen 17 Uhr wieder am R.V.P.G.-Bootshaus ein und nach weiteren zwei Stunden waren alle Boote wieder sauber an ihrem angestammten Platz verstaut.
Fazit: Der Schnitt von 25km an vier Rudertagen ist in Anbetracht der vielen Hindernisse auf der Ruhr durchaus akzeptabel. Umgekehrt bekommen der Fahrtenleiter (und auch der Seppel) einen selbst verliehenen Kilometerpreis für ca. 800km hinter dem Steuer. Die Ruhr hat uns gezeigt was „Wasserwandern“ wirklich bedeutet. Es war alles dabei und das Wetter größtenteils wirklich schön. Insgesamt ist die Strecke mit ca. 70km für eine Ferienwanderfahrt zu kurz, für eine motivierte Truppe aber z.B. als verlängertes Wochenende empfehlenswert. Der Regen hat uns schließlich die Ems versaut. Allerdings bin ich lange nicht mehr für über 20km durch nahezu unberührte Natur und Felder gerudert. Der Fluss bleibt definitiv auf meiner Liste. Das nächste Mal vielleicht zur wärmeren Jahreszeit!
Die Gruppe hat sich insgesamt gut geschlagen und gut zusammen gearbeitet. Eskaliert wurde nur im positiven Sinne! Das macht Hoffnung auf eine neue Wanderfahrer-Generation und Berichte wie diesen aus einer jüngeren Hand. Zum guten Schluss hatte der Abbruch einen Tag zu früh doch etwas für sich: Wir konnten alle in unserem warmen Bett aufwachen und uns denken
„Hoch die Hände, Wochenende“
Strecke:
Ruhr: Herdecke – Mülheim mit Halt in Witten und Essen-Steele, 72 km
Ems: Emsdetten – Salzbergen, 28 km
Boote:
Sonnendeck (Baumgarten E-Vierer+/Fünfer-, Bj. 2004): Weiterhin unser bestes Arbeitstier und für alles zu haben! Weicht nicht einmal der Bootsgasse, sondern die Bootsgasse dem Boot!
Konny Oebel (Baumgarten E-Vierer +, Bj. 2011): Inzwischen eingefahren und auch gut beansprucht. Leider weiterhin zu schwer, aber einmal im Wasser …
Onkel Udo (Baumgarten E-Dreier-, Bj. 1998): Im Bericht aus dem Herbst 2014 steht, es läuft, und läuft und läuft … und läuft immer noch, inzwischen mit neuen Skulls dank Spende von Olaf Behrend. Die Holzteile brauchen dringend Zuneigung, damit das Boot weiter unkaputtbar bleibt.
Teilnehmer:
Lukas Dötsch, Klasse 8
Melanie Gu, Klasse 8
Ben Harth, Klasse 9
Emilia Kernich, Klasse 8
Emilia Pape, Klasse 9
Hanna Pürner, Klasse 9
Cilia Saed, Klasse 10
Felix Scherkenbeck, Klasse 8
Sebastiaan „Seppel“ Verton, Abitur 1996
Clara Walter, Klasse 9
Jakob Walter, Klasse 10
Michael „Michi“ Werscheid, Abitur 2003
Glück auf!
Heiko Dürr-Auster, Abitur 2007