Bericht von Hanna Pürner und Mario Thieme
Kaum ein Strom bewegt die Deutschen im Allgemeinen und unseren Ruderverein im Besonderen so wie Vater Rhein. Was liegt also näher, als die Schönheiten dieses einzigartigen Flusses und seiner unmittelbaren Umgebung im Rahmen einer Wanderfahrt wieder einmal zu erkunden und zu genießen. So begaben wir uns, mit einer relativ kleinen Gruppe von acht Ruderinnen und Ruderern, darunter zwei Teilnehmer des diesjährigen Startercamps, drei erfahrenere Schüler und drei Ehemalige, vom 21. bis zum 26. August 2017 auf eine R(h)ein vegane Wanderfahrt.
Am Montag, den 21. August war es soweit. Um 7 Uhr morgens trafen wir uns bei Sonnenaufgang am RVPG, um uns gemeinsam mit einem angemieteten VW Bus zum Startpunkt nach Germersheim zu begeben. Neben unseren beiden Booten hatten wir zusätzlich ein weiteres Boot, den “Nackten Mann“, geladen, den eine andere Wandergruppe am kommenden Freitag von Worms zum RVPG rudern wollte. Zwar noch etwas müde, aber gut gelaunt ging es daher zum ersten Zwischenstopp nach Worms, wo der “Nackte Mann“ beim Wormser RC untergestellt wurde. Die kleine Wartezeit vor Ort nutzen wir, um unsere ersten Einkäufe für die Abendverpflegung zu erledigen. Ein Boot leichter und mit viel frischem Gemüse beladen, ging es dann weiter nach Germersheim, um unsere Tour zu beginnen. Das Entladen und Aufriggern der Boote verlief reibungslos; allerdings zeigte ein erster Test unseres historischen Gaskochers, dass wir am besten Alternativen haben, um nicht durchweg mit lauwarmen Essen leben zu müssen. Hier sollte der Verein vielleicht ein klein wenig investieren…
Nachdem wir uns von Michael Hüttemann, der dankenswerter Weise den Chauffeurdienst übernommen hatte, verabschiedeten, ging es aufs Wasser. Als Einstieg erwartete uns eine sehr entspannte Strecke bis nach Mannheim, mit strahlendem Sonnenschein, nur wenigen Wolken und einem ersten Vorgeschmack auf eine wirklich schöne Woche auf dem Wasser.
Die letzten Meter zur Mannheimer RG gestalteten sich etwas ungewöhnlich, da sie sich am Ende eines fast 2km langen Industriehafens (Romantik pur) befindet.
Letztlich konnten Steg & relativ steile Treppen zum Boote tragen doch noch ausgemacht werden und wir hatten unser Ziel erreicht. Die Treppen hinauf (S/Tonnendeck wir lieben dich), über Schienen und Straßen hinweg, an Schrottlagern vorbei ging es in die Bootshalle und die geradezu luxuriösen Vereinsräumlichkeiten. Es erwartete uns eine erstklassig eingerichtete Küche, in der wir unser erstes veganes kulinarisches Feuerwerk zündeten – alle waren begeistert (nach subtiler Androhung von Gewalt durch Leon). Ein schöner Tag klang aus und zwei wichtige Erkenntnisse blieben für die Fahrtenleitung hängen: 1. das nächste Mal an die Flaggen denken, 2. für ALLE unbedingt einen Deutschkurs nach der Rückkehr buchen!
Den Weckdienst am nächsten Morgen übernahmen großzügigerweise die umliegenden Industrieanlagen. Nichtsdestotrotz waren wir alle gut erholt und starteten den Tag mit einem gemeinsamen Frühstück im Freien und anschließender Arbeitsteilung (putzen, aufräumen, leichte Reparatur einer Altlast an Sonnendeck, einkaufen – ein einsamer Delfin (Daniel) wurde aus den Fängen des Einzelhandels befreit und begleitete uns ab sofort als Maskottchen).
Zurück auf dem Wasser erwarteten wir voller Spannung insbesondere den berüchtigten “Mannheimer Kasten“, der sich beim Befahren allerdings eher als harmloses “Kästchen“ herausstellte. Da die Strecke mit ca. 30 km eher vergleichsweise kurz war, schonten wir unsere Kräfte und gelangten mit vielen kleinen Pausen gut nach Worms. Dort angekommen, wurden unsere Boote an der schönen Uferpromenade von vielen Schaulustigen bestaunt. Einer davon erklärte uns nachdrücklich, dass es diese Boote ja gar nicht geben kann, da er aus dem Fernsehen ja nur Vierer und Achter kenne. Unsere Erklärung: beide Boote müssen mal Vierer gewesen sein, und das aus Onkel Udo gesägte Stück wurde später in Sonnendeck eingesetzt.
Die makellose Fassade unserer veganen Ansprüche bekam erste kleine Risse – Honig verirrte sich aus unerfindlichen Gründen in den Einkaufswagen. Mit gemeinsamem Kochen und Abendessen klang auch dieser Tag angenehm aus. Wichtige Erkenntnisse der Fahrtenleitung: 1. Honig ist nicht vegan und 2. sind unsere Boote ganz besondere Spezialanfertigungen.
Frisch gestärkt gingen wir und die Boote am Mittwoch aufs Wasser, um die erste längere Etappe in Angriff zu nehmen. Unser Ziel: das 60 km entfernte Mainz. Es sollte ein warmer und anstrengender Tag werden, der jedoch auch für Unterrichte zum Thema Rudertechnik, Bewegen im & am Boot sowie richtiges Aus- & Einsteigen genutzt wurde, da die ersten beiden Tage leichte Defizite aufzeigten.
Vorbei an Weinbergen, Rheininseln, Fähren und diversen Motorbooten und Jetskis erreichten wir am späten Nachmittag die Mainzer RG. Da der Verein einen eigenen Rudertermin mit “Restaurantbetrieb“ (!) hatte, konnten wir die Küche erst ab 21 Uhr nutzen, um eine köstliche Linsen-Bolognese an dreifarbigen Nudeln zu zaubern. Die großzügige Küche wurde genutzt, um möglichst vielen Wafa Teilnehmern auch das Thema “Kochen“ an diesem Tage noch einmal besonders näherzubringen. Es blieben zwei Erkenntnisse für die Fahrtenleitung: 1. Mathekurs ebenfalls buchen und 2. Honig muss man nicht immer vom Brot essen, es gehen auch das Knie und der Ausleger.
Donnerstag – es fällt dem/der ein oder anderen inzwischen sichtlich schwerer, sich auf den bequemen Rollsitz zu begeben, aber alle beißen sich durch und wir freuen uns auf eine landschaftlich sehr schöne, wenn auch nicht ganz einfache Etappe nach St. Goar. Allerdings war unser Respekt, insbesondere vor der Loreley, so groß, dass wir uns kurzfristig entschieden, davor zu übernachten, um diesen Abschnitt frisch & ausgeruht absolvieren zu können. Gesagt, getan und telefoniert: neues Zwischenziel Bacharach. Unsere Erwartungen an den landschaftlichen Reiz der Strecke wurden bei wundervollem Wetter voll erfüllt.
Weinberge wohin das Auge reicht, wunderschöne Städtchen und Sehenswürdigkeiten säumten unseren Weg und die holde Germania blickte gütig auf uns herab und ließ uns das “Bingener Loch“, wie auch alle anderen anspruchsvollen Stellen, reibungslos passieren. Bei einem kurzen Einkaufs-Landgang in Oestrich-Winkel wurden unsere Reserven aufgefüllt. Letztlich gut angekommen auf dem Mittelrhein verlangte uns der Anleger in Bacharach aufgrund Strömung und Felsen im Fluss einiges ab. Doch unsere Steuerleute, Leon und Daniel, meisterten auch dies mit Bravur. Am Ufer erwartete uns ein kleines gemütliches Bootshaus mit angeschlossener Wirtschaft.
Die Boote fanden ihren Weg auf die Wiese neben dem Biergarten, und wir konnten uns beim Ruderverein einen guten Gasherd ausleihen und dank des freundlichen Wirts unsere Freiluft-Küche im Biergarten beziehen.
Eine zwischenzeitlich aufflackernde Anti-vegane Meuterei wurde dank einer vorzüglichen Gemüse-Tofu-Nudelpfanne (vielleicht haben ein bisschen Haribo & dunkle Schokolade auch dabei geholfen) im Keime erstickt.
Wie bei der Freiluft-Küche musste auch beim Spülen aufgrund Vereinsgröße improvisiert und die Dusche dafür genutzt werden. Erkenntnisse des Tages: 1. Handwaschbecken sind keine Biotonne und 2. brauchen wir einen neuen Gaskocher…
Es war soweit: der sicherlich sagenumwobenste Teil des Rheins sollte passiert werden und die mit insgesamt 65 km längste Etappe nach Neuwied lag vor uns. Wir stärkten uns mit Müsli und Haferflocken (die man auch locker ohne Milch “genießen“ kann), beseitigten die Gemüsespuren aus dem Handwaschbecken und machten die Boote fertig.
Voller Spannung ging es aufs Wasser und Loreley war uns auch ohne Opfer gewogen, sodass wir ohne Zwischenfälle, aber mit wachem Auge, eine wunderschöne Tagestour starteten.
Die deutsche Luftwaffe und unser quasi “Schwesterschiff“, die “Godesburg“, erwiesen uns die Ehre und zeigten uns den Weg nach Hause.
Da die Leidensfähigkeit unserer tapferen veganen Ruderer zwischenzeitlich mehrfach auf die Probe gestellt wurde, entschieden wir uns für einen kleinen “Cheat Day“ und den damit verbundenen Zwischenstopp an einer Eisdiele (laut dem Wanderführer: Kamp, kleiner Erholungsort, schlechte Landemöglichkeit – war uns aus verständlichen Gründen aber vollkommen egal).
Die restliche Fahrt verlief problemlos vorbei an Koblenz und dem Deutschen Eck, bis wir ca. 3 km vor Neuwied ein leichtes Donnern im Hintergrund hörten und aus der beschaulichen Wanderfahrt eine Olympiaregatta wurde. In Spitzenzeit erreichten wir, zusammen mit den ersten Regentropfen, den Anleger in Neuwied. Nun hieß es: Boote, Ausrüstung, Gepäck und uns ins Trockene bringen.
Da wir im Verein nicht die einzigen Übernachtungsgäste waren, wurden wir im Fitnessraum untergebracht. Klein, aber fein und für acht Personen, fünf Ruderergometer, vier Crosstrainer, zwei Einkaufswägen und das historische Stadtarchiv Neuwieds absolut ausreichend – irgendwie.
Unser alter Gaskocher konnte an diesem Abend zeigen, was noch so in ihm steckt… also nicht viel. Zum Glück spendete uns die Gaststätte einen großen Topf kochendes Wasser und das Essen konnte zumindest „zubereitet“ werden. Sterneküche geht anders… Den Höhepunkt des Abends mussten daher ein paar kleine Leckereien (Apfelmus, Katjes, Chips und Schokolade) übernehmen. Die Erkenntnisse am letzten Abend: 1. Deutsch-/Mathe-/Biokurs für alle!! und 2. brauchen wir einen neuen Gaskocher!
Um den nächsten Morgen mit neuem Schwung zu beginnen, entschieden wir uns für dezente musikalische Untermalung des täglichen Weckrituals. Als dann schlagartig alle wach waren, ging es ans Sachen packen, Frühstück machen und an die Morgenhygiene.
Ein letztes Mal wurden die Köstlichkeiten der veganen Ernährungsart genossen und da der andere Verein noch schlief, mit Übersteigen der Schlafsäcke die Bootshalle leise verlassen. Leider konnten wir die Boote nicht ganz so leise aus besagter Halle entnehmen, aber es war ja auch schon 11 Uhr.
Unter Nutzung des Bootswagens ging es zurück zum Anleger und letztlich aufs Wasser. Der Rhein sollte uns heute nach Hause zum RVPG bringen. Wir passierten unruhige Wasser in Koblenz, Unkel und zuletzt in Mehlem, und fühlten uns mit jedem Kilometer ein bisschen mehr zu Hause.
Rücken, Gesäß und die Blasen an den Händen taten plötzlich nicht mehr ganz so weh, als uns der Drachenfels aus der Ferne grüßte.
Erschöpft, aber zufrieden betraten wir den heimatlichen Anleger. Die gemeinsame Bootspflege und das obligatorische Gruppenfoto bildeten den Abschluss einer insgesamt lehr- und ereignisreichen, wunderschönen Wanderwoche auf unserem Vater Rhein.
Fazit:
- Eine Wanderfahrt stellt immer noch einen besonderen und in vielerlei Hinsicht wertvollen Aspekt des Rudervereinslebens dar – hard skills (Rudertechnik, Umgang mit den Booten etc.) wie soft skills (Agieren unter Belastung, Teambuilding etc.) der Teilnehmer werden „spielerisch“ weiterentwickelt und die Bindung an den Rudersport gestärkt.
- Der Rhein, als durchaus anspruchsvolles Gewässer, eignet er sich unter fachkundiger Führung auch für längere Wanderfahrten mit Anfängern.
- Die Unterstützung und Wahrnehmung durch die Vereine am „Wegesrand“, bei denen wir unterkamen, waren durchweg absolut positiv sind und einen besonderen Dank wert – Rudern verbindet!
- Körperliche Belastung und eine bewusste Ernährungsweise, frei von tierischen Produkten, schließen sich nicht aus, auch wenn es für den/die ein oder andere nicht immer einfach war und auch eher ein (vielleicht aber interessanter) Exkurs bleiben dürfte.
Strecke:
Rhein: Germersheim (km 384,5) → RVPG (km 646,2), 21.08.-26.08.2017
Boote:
Sonnendeck (Baumgarten E-Vierer+/Fünfer-, Bj. 2004): ein bewährtes Schwergewicht unserer Ruderboote, welches wir auf dem Wasser und ganz besonders beim Tragen auf so mancher Treppe zu schätzen wussten
Onkel Udo (Baumgarten E-Dreier, Bj. 1998): am Verladetag noch kurzfristige Leistungssteigerung durch neue Rollbahnen & neue Rollen, für die wir unterwegs sehr dankbar waren
Teilnehmer:
Alexandra Malkin, Klasse 7
Laith Welter, Klasse 7
Annik Martin, Klasse 9
Lukas Dötsch, Klasse 10
Hanna Pürner, Klasse 11
Leon Alef, Ehemaliger
Daniel Baumann, Ehemaliger
Mario Thieme, Ehemaliger
Daniel, Delfin